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Dr. Benjamin Hippen zu Verbesserungsvorschlägen für die Verordnung über den Zugang zu Organtransplantaten

Benjamin Hippen,
MD, FASN, FAST

"Das vorgeschlagene Zahlungsmodell zur Vereinfachung des Zugangs zu Nierentransplantationen ist ein guter Anfang, aber das CMS (Center for Medicare and Medicaid Services) muss in größeren Kategorien denken"

"Ich hatte das zweifelhafte Vergnügen, im Laufe der Jahre Tausende von Seiten an Verordnungen und Richtlinien zu lesen, die vom CMS im US-amerikanischen Federal Register veröffentlicht wurden. Selbst in den Fußnoten hatte ich nie bemerkt, dass die Verfasser dieser Dokumente eine latente Fähigkeit zur Ironie an den Tag gelegt hätten. Daher konnte ich beim Lesen der Verordnung Improving Organ Transplant Access (Verbesserung des Zugangs zu Organtransplantationen) nicht genau sagen, ob die Abkürzung der Verordnung („IOTA”) beabsichtigt war oder nicht.

„Iota”, der neunte (und kleinste) Buchstabe des griechischen Alphabets, ist gleichbedeutend mit „etwas sehr Geringem”. Die IOTA-Verordnung macht ihrem Namen alle Ehre: Nach eigenen Schätzungen des CMS würde eine erfolgreiche Umsetzung der Verordnung die Gesamtzahl der Transplantationen (lebender und verstorbener Spender) um insgesamt 2.625 transplantierte Nieren erhöhen. Das heißt ein IOTA an Interventionen würde auch nur ein Iota an Fortschritt bringen: eine nur 1,6%ige Steigerung des Volumens an Nierentransplantationen über 6 Jahre! 

Fairerweise muss man sagen, dass die vorgeschlagene Verordnung für jeden, der sich für Richtlinien einsetzt, die den Zugang zu Nierentransplantationen verbessern, viel Gutes enthält: Verpflichtende Teilnahme von Transplantationszentren, die für das Modell ausgewählt wurden. Finanzielle Anreize und Sanktionen für ausgewählte Nierentransplantationszentren werden in Form von Zahlungen (oder Sanktionen) in Abhängigkeit von der kombinierten Leistung eines Zentrums in Bezug auf die beobachteten und erwarteten Transplantationsvolumina, die Annahmequote von angebotenen Organen und verschiedene patientenorientierte Qualitätsmaßnahmen gewährt. Dementsprechend gewichtet das Modell die Steigerung des gesamten Transplantationsvolumens viel stärker als andere Maßnahmen, da das Hauptziel des Modells darin besteht, die Gesamtzahl der vorgenommenen Transplantationen zu erhöhen. Das CMS hat eine intelligente, einfache und leicht verständliche Metrik für die Überlebensrate bei Transplanteten vorgeschlagen, die die komplexen Unbeständigkeiten durch die „Anpassung von Risiken” vermeidet und den Schwerpunkt auf Priorisierung und Belohnung einer erhöhten Anzahl von Nierentransplantationen legt. Die zunehmende Zahl an Transplantationen für wirtschaftlich schwache Bevölkerungsgruppen wird auf durchdachte, ausgewogene Weise gefördert, und zwar „nur in Richtung nach oben”.

Seit langem geforderte Bemühungen auf Systemebene zur Verbesserung der transparenten Kommunikation mit Patientinnen und Patienten auf der Warteliste sind inbegriffen. Das Modell misst die Annahmequote eines Zentrums für angebotene Organe und verpflichtet diese, die Patienten innerhalb von 30 Tagen über die von den Zentren abgelehnte Angebote zu informieren und/oder die Patienten halbjährlich über die „Filter” zu informieren, die das Zentrum einsetzt, um bestimmte angebotene Organe ganz auszusortieren. Anhänger von „Patientenberichten” werden die Einbeziehung von Metriken zur „gemeinsamen Entscheidungsfindung” und zum eigenen Verständnis von Plänen zur Überleitung von Pflege zu schätzen wissen. Es gibt keine Belege dafür, dass diese (oder andere) Kennzahlen das Vorgehen des Zentrums dauerhaft ändern und nicht nur eine (weitere) Pflichtübung sind, aber es ist ein sinnvoller erster Ansatz. Es gibt viele Details, über die man streiten kann, aber im Allgemeinen hat CMS vieles richtig gemacht. 

So wie es sich darstellt, wird IOTA aber wahrscheinlich nicht den allgemeinen Zugang zu Nierentransplantationen verbessern. Sowohl die vorgeschlagenen finanziellen Anreize als auch die Geldstrafen sind nur ein Bruchteil dessen, was nötig ist, um die Ressourcen zu finanzieren, die für eine grundlegende Änderung der Vorgehensweisen der Zentren erforderlich sind. Die vorgeschlagene Verordnung sieht insgesamt 26 Mio. US-Dollar an Bonuszahlungen und nur 1 Mio. US-Dollar an Strafen für 90 registrierte Zentren über 6 Jahre vor. Pro Zentrum würde dies sogar die Kosten für einen weiteren Transplantationskoordinator decken. Dies alles wird durch die Berechnung von IOTA noch verschärft: Das Bewertungssystem bezieht alle Patienten unabhängig von der Art des Kostenträgers ein (großartig!), aber die Zahlungen/Sanktionen werden nur auf transplantierte Patienten mit einer Medicare Fee for Service (FFS)-Versicherung (primär oder sekundär) angewandt. Patienten mit Medicare Advantage (MA)-Schutz zählen nicht als „Medicare”-Transplantation für die Zurechnung von Boni und Sanktionen, da dies eine „Ausnahmeregelung” für die MA‑Verordnungen (Abschnitt 1851(i)(2)) erfordern würde, die das CMS derzeit nicht anstrebt. Da MA inzwischen einen großen und wachsenden Anteil der Kostenübernahme für nierenkranke Medicare-Patienten ausmacht und sich dieser Trend fortsetzt, wird die Zahl der transplantierten Patienten, auf die sich die IOTA-Boni und -Sanktionen beziehen, entsprechend schrumpfen.

Registrierte Zentren, die die Anforderungen des Modells nicht erfüllen, können „gekündigt“ werden und möglicherweise für die in dem betreffenden Leistungsjahr verhängten Strafen haftbar gemacht werden, aber das war’s dann. Zentren, die nicht daran interessiert sind, die für den Erfolg von IOTA erforderlichen Anstrengungen und Ressourcen aufzubringen, könnten einfach die Kündigung beantragen, eine einmalige Geldstrafe als Preis für einen weiterhin laufenden Betrieb betrachten und fortfahren. Das ist kein Rezept für den Wandel, sondern eher ein Weg zur Entropie. 

Wenn das Ziel des IOTA-Modells darin besteht, eingefahrene institutionelle Verhaltensweisen zu ändern, die durch dauerhafte, sozial bedingte gesundheitliche Ungleichheiten noch komplexer werden, wird die Revolution mehr Geld kosten. Dies kann erreicht werden, indem das vorgeschlagene IOTA-Bewertungssystem und die Qualitätskriterien beibehalten werden, während die finanziellen Boni für erfolgreiche Zentren erhöht werden, die finanziellen Sanktionen (mit Möglichkeiten zur Behebung) für weniger erfolgreiche Zentren erweitert werden und sinnvolle mehrjährige Leistungssanktionen für angemeldete Zentren verhängt werden, die wegen vorsätzlicher Nichteinhaltung aus dem Modell ausgeschlossen werden. Nierentransplantationsprogramme arbeiten bereits überall mit geringen finanziellen Gewinnspannen, so dass finanzielle Sanktionen nicht ohne Möglichkeiten für Wiedergutmachung und Einspruch verhängt werden sollten. Es wird schwer sein, den notwendigen Wandel zu erreichen, aber es sollte viel schwerer werden, den notwendigen Wandel zu vermeiden

Eine Steigerung der Annahmequoten von Organen und des Gesamtvolumens von Transplantationen in Verbindung mit Bemühungen um die Beseitigung von Ungleichheiten beim Zugang zu Organen wird nicht leicht oder schnell zu erreichen sein. Dies erfordert sinnvolle und dauerhafte Investitionen in langfristige Veränderungen auf Systemebene, die engagierte Mitarbeitende und Ressourcen voraussetzen, um Ineffizienzen im Vorfeld der Transplantation und die vielen Gelegenheiten, bei denen Patienten im Überweisungs-, Bewertungs- und Wartelistenprozess verloren gehen, zu beseitigen, sowie eine vorhersehbare Zunahme früher Komplikationen nach der Transplantation (wie eine verzögerte Transplantatfunktion) aufgrund der Verwendung von Organen mit höherem Risiko, mehr nachgelagerte Ressourcen für die kontinuierliche Koordinierung der Pflege und (wesentlich weniger lukrativ, aber nicht weniger wichtig) eine langfristige Pflege nach der Transplantation, um zu gewährleisten, dass das „Geschenk des Lebens” so lange wie möglich erhalten bleibt.

Im Folgenden wird ein Ansatz zur Verbesserung des IOTA-Vorschlags empfohlen: (a) Erhöhung der finanziellen Boni von 26 Mio. US-Dollar auf 260 Mio. US-Dollar über sechs Jahre; (b) Beantragung einer Ausnahmeregelung von SSA Section 1851(i)(2), so dass transplantierte MA-Begünstigte in die IOTA-Boni und -Sanktionen einbezogen werden; (c) Verkleinerung der Gruppe der eingebundenen Zentren, die weder einen Bonus noch eine Strafe auf Grundlage der IOTA-Leistung erhalten; (d) Erhöhung der finanziellen Strafen von 1 Mio. US-Dollar auf 100 Mio. US-Dollar über sechs Jahre mit der Möglichkeit für Wiedergutmachung und Einspruch; (e) Verhängung empfindlicher Geldstrafen gegen Zentren, die wegen grober Nichteinhaltung der Modellanforderungen aus dem Modell ausscheiden. Es kann sich auszahlen, wenn die Zielvorgaben für das Transplantationsvolumen erhöht werden, wodurch anderweitig erforderliche Ausgaben für die Erhaltung einer Dialyse eingespart werden. 

Wenn Ihnen daran gelegen ist, den Zugang zu Nierentransplantationen für alle Patienten zu verbessern, schreiben Sie einen öffentlichen Kommentar zur neuen Verordnung des CMS. Die öffentliche Stellungnahme von Fresenius Medical Care ist hier zu finden. Ein dauerhafter Wandel erfordert eine angemessene Finanzierung. Patienten, die Öffentlichkeit und die Steuerzahler verdienen kein Iota weniger. "

Publikationsdatum: Juni 2024

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