Dialyseversorgung in China
Han Xiong kann sich gut an den Tag erinnern, als ihr die Ärzte eröffneten, dass sie für den Rest ihres Lebens regelmäßige Dialysebehandlungen benötigen würde. „Das ist sicherlich für alle Patienten ein einschneidender Moment. Ich bin da keine Ausnahme“, sagt die Englischlehrerin aus Ürümqi.
„Es fühlte sich im ersten Moment an, als hätte sich der Himmel über mir verdunkelt. Aber ich habe das Glück, in einer Zeit zu leben, in der sich China öffnet und im Gesundheitssystem immer mehr Kosten übernommen werden. Heute kann ich sagen: Ich fühle mich gut. Ich habe mich darauf eingestellt, dass ich montags, mittwochs und freitags in der Klinik bin – und sonst ein komplett ausgefülltes Leben führen kann.“ Ein ausgefülltes Leben bedeutet für Han Xiong: jeden Tag mit Tai-Chi zu beginnen, später neue Tanzchoreografien einzustudieren, shoppen zu gehen mit den Freundinnen. Kurzum: im Alltag Mensch sein, kein Patient.
Mehr Aufmerksamkeit für Nierenerkrankungen schaffen
Als Han Xiong 2018 beim Start eines Extremlaufs entlang der Chinesischen Mauer auf der Bühne stand, war es ihr ein Anliegen, von ihren Erfahrungen zu berichten und über Nierenerkrankungen, den Wandel in China und die Chancen, die damit verbunden sind, zu sprechen. Sie wollte Aufmerksamkeit. Nicht für sich, sondern für die Sache.
Es ist ein Anliegen, das Harry de Wit, bei Fresenius Medical Care als Vorstandsmitglied verantwortlich für die Region Asien-Pazifik, teilt. „Unsere Vision ist es, dass Menschen auf der ganzen Welt den gleichen Zugang zur bestmöglichen Therapie bekommen. In China hat das viel damit zu tun, Aufmerksamkeit zu wecken. Das ist hier essenziell, wenn es um große Veränderungen geht.“
Die Anzahl der Nierenpatienten wächst
„Generell sind für ein hochentwickeltes Unternehmen wie Fresenius Medical Care mit der weiteren Verbesserung von Produkten große Chancen verbunden“, so de Wit. „In China ist das etwas anders. Hier gibt es Bedarf in allen Bereichen. Das beginnt bei der Infrastruktur vor Ort und der Frage, wie Patienten auch in abgelegenen Regionen bestmöglich versorgt werden können – und reicht bis zur Skalierbarkeit der Angebote, da die Nachfrage stetig zunimmt.“ Die Zahl der Patienten mit chronischem Nierenversagen steigt in China – im Vergleich auch zu anderen Ländern in Asien – überdurchschnittlich stark um jährlich mehr als zehn Prozent. „China hat in der Dialyseversorgung in den letzten zehn Jahren vermutlich größere Fortschritte gemacht als der Rest der Welt zusammen. Das – verbunden mit der Tatsache, dass die Mittelklasse immer größer wird – lässt uns zuversichtlich in die Zukunft blicken. Wir profitieren von den wachsenden Ansprüchen der Bevölkerung an ihr Gesundheitswesen und davon, dass sich mehr und mehr Patienten eine gute Gesundheitsversorgung nicht nur wünschen, sondern auch leisten können.“
Als die beiden südafrikanischen Extremsportler David Grier und Andrew Stuart einen 4.200 Kilometer langen Lauf entlang der Chinesischen Mauer planten, unterstützte Fresenius Medical Care das Vorhaben als Partner. Es war eine ideale Gelegenheit, gleich mehrere Wochen lang auf das Thema Nierengesundheit aufmerksam zu machen. Der Plan ging auf: Der Lauf wurde zu einem landesweiten Ereignis. Vor allem dank der sozialen Netzwerke erreichte das Ereignis mehr als 300 Millionen Menschen. Es war das Ergebnis der jahrelangen Erfahrung der beiden Charity-Läufer und einer sehr engen Zusammenarbeit mit Experten von Fresenius Medical Care vor Ort, bereits in der Planungsphase.
Während des Laufs besuchten die beiden Extremsportler immer wieder Kliniken, sie trafen Patienten bei ihrer Behandlung, es gab lokale Laufevents über kürzere Distanzen, um Menschen in verschiedenen Teilen des Landes zu begeistern. „Kurz bevor die beiden die gesamte Distanz absolviert hatten, fragten sie mich, ob ich die letzte Stunde mit ihnen laufen wolle. Das war eine große Ehre“, sagt de Wit. „Der Lauf ist eine positive Geschichte. Und die Menschen in China lieben positive Geschichten. Deswegen haben wir so viele von ihnen erreicht.“
Millionenstädte im Fokus
In China kann momentan nur ein geringer Teil der Nierenkranken behandelt werden. „Wir sprechen von etwa 45 Prozent der Menschen mit chronischem Nierenversagen. Das hat mit dem aktuellen Mangel an Ärzten und Pflegern, aber auch mit einem ausbaufähigen Zugang zu kostengünstigen Produkten und Dienstleistungen zu tun.“ Abseits der Metropolen gibt es kaum Kapazitäten für die Behandlung.
Deswegen liegt der Fokus von Fresenius Medical Care auf Investments in den sogenannten Tier-2- und Tier-3-Städten. Das sind große und mittelgroße Städte, in denen zwischen 150.000 und 15 Millionen Menschen leben, wie beispielsweise Kunming oder Quanzhou. „In den größten Metropolen gibt es bereits eine gute Versorgung. Deswegen unterstützen uns die Behörden, wenn wir in andere Regionen investieren“, sagt de Wit. „Das ist unser großer Vorteil als Anbieter, der nicht nur Produkte, sondern außerdem eine optimale Behandlung sowie den Aufbau und Betrieb von Kliniken gewährleisten kann.“
Bedeutende Meilensteine wurden erreicht
China befindet sich mitten in einem tiefgreifenden Wandel. Das Land öffnet sich im Gesundheitssektor auch für ausländische Unternehmen. Fresenius Medical Care hat in den vergangenen zwei Jahren gleich mehrere Meilensteine im China-Geschäft erreicht: Ende 2017 wurde das erste Nierenzentrum, das auf die Behandlung chronischer Krankheiten wie Nierenversagen sowie auf die Hämodialyse spezialisiert ist, als Joint Venture eröffnet. Kurz darauf verkündete Fresenius Medical Care die Übernahme des ersten unabhängigen Dialysezentrums in Quanzhou.
Es folgten weitere Zukäufe im Jahr 2018: zunächst zwei 70-Prozent-Beteiligungen an Kliniken in der Provinz Sichuan, anschließend die Akquisition mehrerer Nieren- und Dialysezentren. Dass die Pipeline mit mehr als 20 Standorten gut gefüllt ist, hat seinen Grund: „Wir rechnen damit, dass die chinesische Regierung in den kommenden Jahren weitere 500 Genehmigungen für Nieren und Dialysezentren erteilt. Dafür sind wir gut gerüstet“, sagt de Wit.
Im Fokus steht außerdem der Ausbau der Forschung und Entwicklung. Das eigene „China Design Center“ betreibt Fresenius Medical Care schon seit 2015 in Shanghai. Es ergänzt die Entwicklungsaktivitäten des 2007 erworbenen Produktionsstandorts Changshu und steht in ständigem Austausch mit der Produktentwicklung in Schweinfurt.
Zur China-Strategie von Fresenius Medical Care gehört aber auch der Aufbau neuer Produktionsstandorte. Im August 2018 wurde in Peking bereits ein Werk in Betrieb genommen, das Dialysekonzentrate herstellt. Ende 2018 stellte Fresenius Medical Care in Indien die erste Dialysemaschine vor, die speziell für die Anforderungen in Schwellenländern entwickelt wurde; sie soll auch in China eingeführt werden. Sie besticht durch besonders robuste Materialien und geringere Produktionskosten. „Wir setzen auf Kostensenkungen in der Herstellung, um möglichst viele Patienten erreichen zu können, die im Moment noch gar nicht behandelt werden“, sagt de Wit.
Die Ansprüche in China steigen – auch mit Blick auf die Patientenversorgung
Zuverlässigkeit und hohe Qualität verbunden mit marktgenauen Antworten und bedarfsgerechten Produktinnovationen sind zentrale Erfolgsfaktoren bei der Erschließung von attraktiven Wachstumsmärkten wie China. Für de Wit ist es nur eine Frage der Zeit, bis Fresenius Medical Care mehr als die Hälfte aller seiner Produkte in China verkaufen wird.
„Schließlich leben in diesem Land 1,4 Milliarden Menschen, und die Mittelklasse gewinnt quasi täglich an Bedeutung – damit steigen auch die Ansprüche an die Patientenversorgung.“ Bereits heute ist das Land der zweitgrößte Produktmarkt weltweit. „Die Absatzzahlen werden in den kommenden Jahren stark ansteigen“, sagt de Wit.
Für Han Xiong ist die Kombination aus Dialyseprodukten und Dienstleistungen rund um die Behandlung schon heute der Schlüssel zu mehr Lebensqualität. Dazu gehört für sie auch, dass genügend Zeit bleibt, mit Personal wie Oberschwester Li Yufang zu sprechen. Sie ist längst eine wichtige Bezugsperson im Leben von Han Xiong geworden. „Ich kenne sie und jeden Mitarbeiter des Teams im Dialysezentrum in Ürümqi persönlich. Sie haben immer Zeit für meine Fragen oder ein ganz normales Gespräch nebenbei – und das schätze ich als Patientin sehr.“